Der gepackte Koffer im Kopf. Das Gehirn auf Heimat geschaltet. Eine Heimat, die es so gar nicht gibt. “Uns wurde eine Sehnsucht in die Venen gespritzt, von klein auf an.”, sagt Emre Akal. “Da ist eine Erinnerung an die Türkei in unserem Kopf, die ist gar nicht unsere. Aber nach der sehnen wir uns.” Das ist das Heimweh der Eltern, das die Kinder in sich tragen. Und mit dem sie auf die Suche gehen. Nach der Heimat.
Sie sind die Almancis, die Deutschländer, Deutsch-Türken und von ihnen handelt das Theaterstück “Almanci” unter der Regie von Aslı Kışlal, das in Istanbul Premiere hatte und im Oktober und November im WERK X in Wien zu sehen sein wird.. Emre Akal ist Autor und einer der Schauspieler des Stücks. Er hat Erlebnisse, Interviews und Begebenheiten zusammengetragen und daraus eine bunte Palette an Einsichten über die Sehnsucht nach Heimat, über das Wort und Thema Integration und über das ewige Zwischendringefühl gestaltet.
Alev Irmak und Daniel Keberle schlüpfen dafür in die Rollen von unterschiedlichen “Almancis”. Da ist einer, der sich zum ersten Mal in die Türkei aufmacht, dort ist eine, die durch den Staat den österreichischen Pass und durch die Klassenkameraden die türkische Identität verpasst bekommt, und da sind zwei, die sich darüber streiten, wer den besseren Migrationshintegrund hat.
Im Stück wird kein Blatt vor den Mund genommen. Die türkische Regierung als auch die österreichische und deutsche Integrationspolitik werden kritisiert und die Nostalgie der Eltern, das Identitätsgesuche der Kinder, die türkische Hektik und deutsche Verspanntheit werden mit wunderbaren Wortneuschöpfungen durch den Kakao gezogen. Das Stück bietet eben so viele Denkanstöße, wie es Lacher für das Publikum bereithält. “Das war mir wichtig. Dass das Ganze zum Lachen sein kann. Diese Thematik wird oft viel zu ernst angegangen und kann aber eigentlich viel (Selbst-)Ironie vertragen.”, sagt Emre Akal. Gleichzeitig hat der Autor bewusst Grenzen überschritten. Er hat die Freiheit der Kunst genutzt um Ansichten zu äußern, mit denen er persönlich vorsichtiger umgehen würde. “Almanci” ist sehr politisch. Und gerade dadurch, dass es so viel zur Sprache bringt, über das sonst gekonnt geschwiegen wird, wird es wichtig.
Der Titel des Stückes bezieht sich übrigens auf einen in der Türkei verbreiteten Begriff für die mit Türkei-Wurzeln, die in Deutschland aufgewachsen sind. Sprachlich und kulturell entfernen sie sich von der Türkei, doch auch in Deutschland haben sie mit Anerkennungsproblemen zu kämpfen. Nicht deutsch (Alman), doch auch nicht mehr türkisch (Türk). Sondern Almancis, Deutschländer. Es gibt ein Sprichwort, das besagt: “Orada Yabanci, Burada Almanci.” Das bedeutet so viel wie: Dort ein Ausländer, hier ein Deutschländer.
Ankommen, die Heimat finden, das tut man nicht wirklich. In seinem Stück sagt die Figur, die Emre Akal verkörpert und die in die Türkei ausgewandert ist, am Ende: “Hasret kaldim”. Voller Sehnsucht bin ich geblieben. Das Sehnsuchtsgefühl, das einem in die Wiege gelegt wurde, ist nicht zu stillen. Die Heimat kann nicht gefunden werden. Doch gibt es die überhaupt für irgendwen? Oder sind wir nicht alle irgendwie Kinder der immerwährenden Wanderung?
Spieltermine im WERK X:
Di 27.10.2015 um 20.00 Uhr
Mi 28.10.2015 um 20.00 Uhr
Do 29.10.2015 um 20.00 Uhr
Fr 30.10.2015 um 20.00 Uhr
Sa 31.10.2015 um 20.00 Uhr
Mo 02.11.2015 um 20.00 Uhr
Mi 04.11.2015 um 20.00 Uhr
Fr 06.11.2015 um 20.00 Uhr
Tickets kann man hier erwerben.
Das Stück ist eine Produktion der diverCITYLAB und daskunst.
Zu einem Video-Interview von MAVIBLAU mit Regisseurin Aslı Kışlal sowie Ausschnitte aus dem Stück geht es hier.
Autor: Emre Akal, Regie: Aslı Kışlal, Regieassistenz: Özge Dayan-Mair, SchauspielerInnen: Alev Irmak, Daniel Keberle, Emre Akal, Dramaturgie: Anna Schober, Musik: Uwe Felche, Grafik und Video: Beste Erener