Sie lernten sich bei einem Erasmussemester in Schweden kennen. Zwei Jahre lang besuchten sie einander, abwechselnd Bayern und Istanbul. Nun zieht er für seinen Master nach Österreich. Damit sind sie dann bald nur noch drei Fahrtstunden voneinander entfernt. Und die Lederhosen für das Oktoberfest sind schon in Planung.
Elly, was war das erste Wort, das du auf türkisch gelernt hast? Berk, was war dein erstes deutsches Wort?
Elly: Mein erstes Wort war “anne”, also Mutter. Das wurde oft auf Berks Handy angezeigt. Und da wollte ich wissen, wer diese Anne ist, die ihn da immer anruft.
Berk: Ich habe in der Schule schon etwas deutsch gelernt. Das fing an mit “ja” und “nein”. Mein Lieblingswort ist aber: “echt”. Das ist so ein Universalwort. Überall kann man das einfügen, und mit der richtigen Betonung bedeutet es immer etwas anderes.
Elly, Du bist jetzt in deinen Semesterferien gerade zwei Monate hier in Istanbul. Was sind die größten Umstellungen von deinem alltäglichen Leben in Deutschland auf dieses hier?
Elly: Auf jeden Fall der Verkehr. Immer und überall ist unglaublich viel los. Und das Dolmuşfahren, also das Fahren in einem Großraumsammeltaxi. Da ist die Fahrt vom Bezahlen bis zum Zielerreichen ein Abenteuer. Das Geld wird von Person zu Person weitergereicht, bis es beim Fahrer ankommt. Dabei wird lauthals verkündet, für wen es ist usw. Und dann muss man sicher gehen, dass der Fahrer einen auch an der gewohnten Haltestelle herauslässt und nicht heute mal einen anderen Weg fahren möchte. Und alles auf türkisch. Man muss lernen, sich da durchzusetzen.
Berk, wie ist es bei dir? Worauf musst du dich einstellen, wenn du in Deutschland bist?
Berk: Auf die Distanz zwischen Menschen, also die körperliche. Wenn ich hier in Istanbul Freunde treffe, dann umarmen wir uns und fassen einander gern freundschaftlich an, es gibt Küsschen auf die Wange oder man legt einem mal den Arm auf die Schulter. Das ist in Deutschland aber nicht normal. Sogar wenn man sehr gut befreundet ist, bleibt ein körperlicher Abstand zwischen den Menschen.
Gibt es Klischees, mit denen ihr konfrontiert werdet, und die euch langsam auf den Geist gehen?
Berk: Ja, also zum Beispiel diese körperliche Distanz. Hier hört man oft, dass die Deutschen sehr kühl sind und es keine richtige Nähe zwischen ihnen gibt. Das ist aber ein Missverständnis, denn gerade diese Körperlichkeit, die in der Türkei groß geschrieben ist, taucht in Deutschland weniger auf und wird deshalb so interpretiert, als ob Deutsche generell unzugänglich und gefühlskalt sind. Dabei ist es einfach nur ein kultureller Unterschied im Ausdruck, der aber missverstanden wird.
Elly: In Deutschland werde ich oft gefragt, wie denn Berks Mutter aussieht. Und dann geht es eben darum, ob sie ein Kopftuch trägt. Das nervt mich unheimlich.
Berk: Es gibt da eine Verwechslung zwischen Landes- und Religionszugehörigkeit. Als Türke wird man sofort als Moslem betitelt. Aber das sind zwei verschiedene Dinge.
Wie geht ihr mit solchen Vorurteilen um?
Elly: Reden. Ich erzähle einfach viel davon, wie ich die Türkei erlebe, und ich erzähle von Berk und Berks Familie. Damit werden bei den Meisten schon Berührungsängste oder falsche Bilder abgebaut. Und wenn sie Berk dann treffen, dann ist das Eis sowieso gebrochen.
Berk: Aber ich bin das Missionieren auch leid. Ich finde, man muss sich nicht allen erklären. Die, die Vorurteile haben, sollten daran arbeiten. Und nicht nur wir.
Gibt es denn Dinge in eurer Beziehung, wo ihr voneinander sagen würdet: Mensch, das ist jetzt aber wirklich typisch türkisch oder typisch deutsch?
Berk: Dieses Streben nach Perfektion. Alles muss auf den Punkt perfekt sein. Wenn Elly an einer Hausarbeit sitzt, dann muss die bis zum Ende durchgefeilt sein. Vorher gibt es da keine Ruhe. Und alles muss exakt nach Plan gehen.
Elly: Und ganz das Gegenteil ist für mich typisch türkisch, dieses Unplanbare und Ungewisse. Fragt man hier, ob etwas getan werden kann, dann kommt immer: Klar, das machen wir. Das heißt aber nicht wirklich, dass es dann auch geschieht. Und der Plan wird ständig geändert. Das hat Berk auch. Aber ob das jetzt wirklich typisch türkisch ist, oder einfach nur Berk, das kann ich nicht sagen. Ich denke, man muss einander sowieso so nehmen wie man ist. Ob das jetzt eine typisch türkische Eigenschaft ist oder nicht. Sie gehört ja zu der Person dazu.
Berk: Und diese Unterschiede beeinflussen uns ja auch im guten Sinne. Ich zum Beispiel finde ein bisschen mehr Struktur und Ordnung sehr gut. Das ist etwas, das ich von Elli lernen kann.
Elly: Immer, wenn ich von einem Besuch bei Berk aus Istanbul zurückkomme, dann sagen mir meine Freunde, dass ich so schön gelassen geworden bin. Also, vielleicht vereinen wir so ja das Positive unserer Kulturen ein wenig.
Und wie meistert ihr kulturelle Differenzen als Paar?
Berk: Ich denke, dass für uns zumindest da kein großer Unterschied zu einem Paar besteht, das in derselben Kultur groß geworden ist. Es geht doch immer darum, die Vorstellungen des Anderen zu verstehen. Wir hatten von Anfang an ähnliche Vorstellungen vom Leben und das hat einfach gepasst.
Elly: Und Differenzen händeln wir wie jedes andere Paar auch. Mit Kommunikation. Natürlich ist es wichtig, das Umfeld und das Land des Partners kennen zu lernen, um ihn besser zu verstehen. Wie bei anderen Paaren auch. Ich habe außerdem mehrere Türkischkurse belegt. Das kommt natürlich dazu. Die Sprache. Wir unterhalten uns auf englisch aber wir versuchen natürlich auch die Sprache des Anderen zu lernen. Wenn Berk mit seinem Master fertig ist, wird er ja hoffentlich perfektes Bayrisch sprechen.
Berk: (deutsch) Hallo, i bin da Berk!
Das klingt doch schon vielversprechend! Worauf freut ihr euch jetzt vor Allem in der nahen Zukunft?
Elly: Keine Fernbeziehung mehr führen zu müssen. Auf jeden Fall nicht so eine.
Berk: Das ständige Beantragen eines Visums, und Bangen darum, ob es nun klappt. Das reicht echt. Wir werden nun endlich viel flexibler sein können. Die Besuche werden nicht mehr vollgepackt sein mit Erwartungen und diesen ganzen Plänen, weil man ja nur so eine kurze Zeit zusammen hat.
Und, wie wird dann gekocht? Türkisch oder deutsch?
Elly: Deutsch. Der Berk kann ja nicht kochen.
Berk: Kann ich schon! Nudeln und so. Nur halt nichts Türkisches.
Elly und Berk, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für euch!