Nachdem im letzten Artikel der Weg des Anadolu Rock von seichter Unterhaltungs- zur dominierenden Form der Protestmusik der 70er Jahre in der Türkei skizziert wurde, ist es an der Zeit, die Reise fortzuführen. Unser Gastautor Seçkin Söylemez wirft einen Blick auf das Erbe dieses Genres: auf die Özgün Müzik.
Wir befinden uns nun in der Türkei der 80er. Ein turbulentes Jahrzehnt, das vor allem durch wirtschaftliche Veränderungen geprägt ist, aber auch neue soziale Dynamiken mit sich bringt. Diese sind es auch, welche zur Entstehung eines neuen Musikgenres führen werden, das als Erbe des Anadolu Rock der 70er Jahre gilt: die Özgün Müzik (deutsch: originelle Musik). Interessant ist hierbei, dass sich das neue Genre inhaltlich an den Anadolu Rock, in Teilen aber auch an den Arabesk anlehnen wird.
Letztendlich entwickelt sich das Genre der Özgün Müzik spätestens ab den 90er Jahren zu einer neuen Form der Protestmusik, die urban und ländlich zugleich ist und in der die Lebensrealität seiner Zeit – vornehmlich in den Peripherien der wachsenden Metropolen – eingefangen und verarbeitet wird. So reicht die Formvielfalt der Özgün Müzik in den frühen 90er Jahren von den ruralen Melodien und der sanften Stimme Hakan Yilmaz‘ bis hin zu den harten und kämpferischen Saz-Stücken Ahmet Kayas. Insbesondere die Karriere Kayas wird im späteren Verlauf zum Sinnbild der innergesellschaftlichen Spannungen in der Türkei.
Die Özgün Müzik ist somit – wie der Anadolu Rock zuvor – als Resultat seiner gesellschaftspolitischen Kontexte zu verstehen. Interessant ist: ungeachtet ihres politischen Backgrounds wird es Vertretern dieses Genres gelingen auch konservative und nationalistische Hörerschaften zu erreichen und so eine Brücke über politische Gräben zu schlagen. Ein Grund mehr, sich mit der Entstehung und Entwicklung dieses musikalischen Gegenentwurfs zur Popmusik auseinanderzusetzen und dabei einen Blick in die Türkei der 80er und späten 90er Jahre zu werfen.
Wirtschaftswachstum und Pop
1983, nach drei Jahren der Militärdiktatur, bestimmt vor allem die neue Wirtschaftspolitik des Ministerpräsidenten Turgut Özal die Geschehnisse in der Türkei. Die Bevölkerung macht erstmals Bekanntschaft mit dem Neoliberalismus und individuelle Konsumwünsche verdrängen nach und nach die politischen Idealismen der 70er Jahre. Die Jugendlichen strömen nun nicht mehr zu Demonstrationen, sondern in Einkaufszentren: Das Tragen westlicher Markenkleidung ist das neue Statussymbol der Jugend.
Der neue Zeitgeist spiegelt sich auch in der damaligen Musik wider. Schallplatten gehören der Vergangenheit an. Kassetten sind das neue Medium der Wahl und erstmals kann man sich seine Lieblingslieder individuell zusammenstellen. Auf den Mixtapes dieser Zeit finden sich populäre englischsprachige Lieder, wie auch die Musik einer neu aufkeimenden türkischsprachigen Populärmusik. Die Popmusik der 80er Jahre ist sorglos und frei von politischen Einflüssen. Ein Musterbeispiel hierfür ist das 1984 erschienene Album Ele güne karşı yapayalnız des Trios MFÖ. In Liedern wie Didai didai dai, mit dem das Dreiergespann am Eurovision Song Contest 1985 teilnimmt, zeigt sich der neue musikalische Zeitgeist. Andere Künstler, dieser Zeit, sind heutige Popgrößen wie Sezen Aksu oder Nilüfer. Im Fokus stehen klassische Motive wie Liebe und Sehnsucht.
Ein musikalischer Gegenentwurf entsteht
Während der neue Wirtschaftsaufschwung in aller Munde ist und die Medienberichterstattung dominiert, offenbart sich die Kehrseite des Neoliberalismus. Mit der Wirtschaft des Landes wächst auch die Schere zwischen Arm und Reich. Exotische Südfrüchte und US-amerikanische Markenjeans sind jetzt zwar jederorts verfügbar, doch nur wenige können sich diese leisten. Das Mittelschichtsideal, wie es die Politik propagiert, will in der Türkei nicht greifen. Aus der Kritik der neuen Umstände und vielleicht auch aus Unverständnis gegenüber der Popmusik nimmt in dieser Phase ein musikalischer Gegenentwurf an Fahrt auf.
Ein frühes Beispiel hierfür ist die Gruppe Yeni Türkü (deutsch: Neues Lied). 1978 als Protestband gegründet, veröffentlicht die Band noch am Vorabend des Putsches ihr Album Buğdayın Türküsü mit Stücken wie Özgürlük (deutsch: Freiheit) und İşçi Marşı (deutsch: Arbeitermarsch). Bereits in diesem Album sind die starken Einflüsse von lateinamerikanischen Gruppen wie Inti Illimani oder Quilapayún zu hören. Nach dem Putsch behält die Band diese musikalische Form bei, konzentriert sich nun jedoch – auch in Anbetracht der repressiven Atmosphäre – auf die Reinterpretation von Volksmusik-Klassikern.
Die stilistische Wende, die Yeni Türkü einleitet, fällt Mitte der 80er Jahre auf fruchtbaren Boden. 1985 veröffentlich die Band Ezginin Günlüğü (deutsch: Ezgis Tagebuch) mit dem Album Seni Düşünmek (deutsch: An dich zu denken) einen ersten Meilenstein des neuen Genres. Die Lieder sind ruhig, eigen und wirken politisch eher subversiv. So werden neben traditionellen Stücken wie Çamdan Sakız Akıyor auch Gedichte von Nazım Hikmet oder Orhan Veli musikalisch verarbeitet. Ein Alleinstellungsmerkmal der Band stellen jedoch Neuinterpretationen von aserbaidschanischen Volksliedern wie Nazeleme oder Küçelere Su Serpmişem dar.
Die große Popularität der Özgün Müzik macht sie in dieser Phase zum Anziehungspunkt wiederaufkeimender studentischer Proteste. Mit Bands wie Grup Yorum, Grup Baran und Umuda Ezgi entsteht eine weitaus stärker politisierte Strömung innerhalb des Genres. Politische Ambitionen werden mit der Musik verwoben. Viele Märsche der internationalen Linken wie zum Beispiel Bella Ciao werden ins türkische Übersetzt und erklingen auf Demonstrationen im ganzen Land. Wichtige Vertreter der späteren Özgün Müzik wie İlkay Akkaya und Onur Akın sind Teil dieser politisierten Strömung. Erstmals werden auch Lieder in kurdischer Sprache aufgenommen – ein Sakrileg.
Die Reichweite der Özgün Müzik universitären Ursprungs wird jedoch immer auf eine klar abgesteckte linke Hörerschaft beschränkt bleiben. Die Initialzündung für eine massenkompatible und politische Gräben überspannende originelle Musik wird an eher ungewöhnlichen Orten stattfinden: in den Arbeitervierteln Istanbuls. Federführend hierbei ist ein Mann, der so gar nicht in das Bild eines Studenten passt: Ahmet Kaya.
Die Musik des Lumpenproletariats: Der Aufstieg Kayas
Der Siegeszug des Kapitalismus verändert Mitte der 80er Jahre auch zunehmend die Sozialstruktur der Metropolen. Erneut ziehen Menschen aus dem armen Osten des Landes in die Großstädte des Westens. Mit den Banlieues wächst auch der Unmut weiter Bevölkerungsteile. Während sich die neue Mittelschicht der Popmusik hingibt und an den Universitäten die milden Klänge der Özgün Musik gehört werden, dröhnt in den Kassettenspielern der Minibusse der Arabesk. Der Putsch von 1980 hat nicht nur die Entwicklung des Anadolu Rock domestiziert und damit seiner kreativen Entwicklung einen Riegel vorgeschoben, er hat auch den Arabesk mit seinem lumpenhaften Charakter zensiert und noch tiefer in die urbane Peripherie gedrängt.
Neben Arabesk-Liedern hört man auf den Straßen Istanbuls jedoch immer öfter auch die charakteristische Stimme eines Mannes, dessen Texte eine Melange aus klassisch arabesken Motiven und dem politischen Aufbegehren der vergangenen 70er zu sein scheinen. Die musikalische Untermalung ist im wahrsten Sinne des Wortes özgün, aber schroffer und vulgärer als die Musik der Studenten.
„Acı çekmek özgürlükse, özgürüz ikimiz de“ (deutsch: Wenn Schmerz empfinden Freiheit ist, so sind wir beide frei) heißt es in diesen Liedern – fatalistisch und hoffnungsvoll zugleich. Der Künstler, der mit einer harten, aber ebenso kindlichen Stimme das Gedicht des Lyrikers Hasan Hüseyin Kormazgil besingt, heißt Ahmet Kaya. Ein Mann mit buschigem Schnäuzer und Bart, der auf dem Cover seines ersten Albums Saz spielt.
Ausgangspunkt für die Texte Kayas sind oftmals die Gedichte einer neuen linken Lyriker-Generation, die nicht dem Typus eines Nazım Hikmet entsprechen. Zwischenmenschliche Sehnsüchte gehen hierbei Hand in Hand mit Sozialkritik. Gedichte von Korkmazgil, Yusuf Hayaloğlu oder Yılmaz Odabaş sind ebenso wie die Stimme Kayas eckig und ungeschönt. In Teilen ordinär, aber dadurch nicht weniger politisch. Im Fokus stehen Motive wie die neuen Migrationsbewegungen und deren Folgen, die Armut und die Reflexion des politischen Kampfes der 70er Jahre.
Ein entscheidender Faktor hinsichtlich der Authentizität Kayas ist mitunter seine eigene Lebensgeschichte. Als Kind mit seiner Familie aus dem Osten des Landes nach Istanbul migriert, verbringt er seine Jugend in den Wirren der 70er Jahre. Wie er später in der Dokumentation Ucurtmam Tellere Takıldı beschreibt, begeistert er sich in dieser Zeit für den Protest der linken Studentenschaft. Er selbst wird nie studieren, aber durch die Musik einen gewissen Anschluss an die Ereignisse finden. Bald spielt er Saz auf Demonstrationen und wird kurzzeitig für das Vortragen eines Gedichtes von Nazım Hikmet inhaftiert.
Trotz seiner Politisierung bleibt Kaya ein Junge aus den Armenvierteln Istanbuls. Er trinkt, ist in Schlägereien verwickelt und lebt ein Leben, das wohl am ehesten mit den Arabesk-Stücken dieser Zeit beschrieben werden kann. Im linken Duktus der 70er Jahre sind Jugendliche wie Kaya das Lumpenproletariat: zu ungebildet und unzuverlässig für für den politischen Kampf, passiv und in Teilen reaktionär.
„Zuallererst bin ich ein Revolutionär“
Die linke Grundgesinnung wird sich Kaya trotzdem bewahren. In einem Interview mit dem berühmten Dichter Cemal Süreya wird Kaya sich und sein musikalisches Wirken später wie folgt beschreiben: „Zuallererst bin ich ein Revolutionär; Ich gehöre zu den Menschen, die auf dem Gebiet der Kunst einem Kampf für mehr Freiheit und Demokratie in der Türkei führen.“ Sinnbild dieser Haltung ist sein 1986 erschienenes Album Şafak Türküsü (deutsch: Lied der Dämmerung) mit dem gleichnamigen Titel, das von einem Abschiedsbrief eines zum Tode Verurteilten handelt. Obwohl der Text auf einen ehemals linken politischen Häftling Nevzat Çelik zurückgeht, bricht das Stück politische Grenzen auf und wird zum Synonym der brutalen Junta-Justiz von 1980.
1987 erscheint Kayas Album Yorgun Demokrat (deutsch: Der müde Demokrat), gefolgt von Başkaldırıyorum (deutsch: Ich rebelliere) 1988. Musikalisch wie inhaltlich kommen die beiden Alben einem Faustschlag gegen das elitäre Verständnis politischer Musik gleich. Kaya besingt das Narrativ eines besiegten Linken, eines Überbleibsels der 70er Jahre – geschunden und erschöpft, aber dadurch nicht weniger hoffnungsvoll, nicht weniger kämpferisch. Auch außerhalb des linken Spektrums können sich Menschen mit diesen Inhalten identifizieren. Bald heißt es, Kayas Lieder würden in linken Kreisen laut, in konservativen leise und von Rechten im Stillen gehört.
Die 90er Jahre: Höhepunkt und Niedergang
Zu Beginn der 90er Jahre dominieren erneut innenpolitische Spannungen die Türkei. Im Osten des Landes herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände und die Bevölkerung wird im Kampf zwischen Sicherheitskräften und PKK aufgerieben. Parallel dazu findet eine gesellschaftspolitische Zuspitzung der Konfrontation zwischen konservativen und laizistischen Lagern statt. Erneut stehen politische Morde an der Tagesordnung. Zeitgleich rächt sich die enthemmte Wirtschaftspolitik der 80er Jahre und die türkische Wirtschaft torkelt von einer Krise in die nächste.
Kayas Alben verkaufen sich derweil in Millionenstückzahl und er ist ein gern gesehener Gast in TV-Sendungen. Hierbei tritt er immer wieder auch in Polit-Talkshows auf und sorgt für Kontroversen. Er nimmt die Position des kleinen Mannes ein und setzt sich für eine Aufhebung des Kopftuchverbots ebenso ein wie auch für ein größeres Verständnis gegenüber kurdischen Bevölkerungsteilen. Obwohl sich Kaya nie vollends zu einer politischen Organisation bekennen wird, machen ihn diese Auftritte zu einer beliebten Zielscheibe der politischen Rechten. In dieser Atmosphäre erscheinen seine Alben Tedirgin (deutsch: Beunruhigt) 1993 und Şarkılarım Dağlara (deutsch: Meine Lieder an die Berge) 1994. Letzteres verkauft sich 2,8 Millionen Mal.
Mit Kaya erlebt auch die Özgün Müzik in diesen Jahren ihren kommerziellen Höhepunkt. Als das Land gegen Ende der 90er Jahre der größten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte gegenüber steht, feiert die Republik ihr 75-jähriges Bestehen. In diesem Rahmen absolviert Kaya einen seiner letzten großen Auftritte zu Ehren dieses Tages in Istanbul. Kurz nach seinem Auftritt hält Kaya hierbei eine kurze Rede, in dem er seinen Wunsch nach mehr bürgerlichen Freiheiten und dem Ende der Zensur im Land bekräftigt. Die Reaktion der Menge ist minutenlanger Applaus – unter anderem auch durch den damaligen Istanbuler Oberbürgermeister Recep Tayyip Erdoğan.
Eine Gala zu Ehren des Staatskünstlers
1999 befindet sich Kaya auf dem Zenit seiner Karriere und soll für sein musikalisches Schaffen mit dem Preis als „Staatskünstler“ ausgezeichnet werden. Erstmals gelingt einem Vertreter der Özgün Müzik ein solcher Erfolg. Bei seinem Auftritt auf der Preisgala am 10. Februar 1999 zeigt Kaya erneut, dass er nichts von seinem kämpferischen Geist verloren hat. Nach einer kurzen Dankesrede eröffnet er dem Publikum – der Creme de la Creme der türkischen Medien- und Musikwelt –, dass er auf seinem nächsten Album erstmals ein Lied auf kurdischer Sprache veröffentlichen wird. Was folgt, ist ein ungesehener Tumult. Im Saal kommt es zu Handgreiflichkeiten gegen den Künstler und Kaya muss unter dem Schutz des Servicepersonals die Veranstaltung verlassen. Im weiteren Verlauf wird ein strafrechtliches Verfahren gegen ihn eingeleitet. Kaya drohen bis zu 12 Jahre Haft. Um dieser zu entgehen, begibt er sich noch im selben Jahr ins französische Exil. Rückblickend erscheint der Titel seines 17. und letztes Studioalbums Dosta Düşmana Karşı (deutsch: Gegen Freund und Feind) 1998 als ein Vorbote der Ereignisse von 1999.
Ahmet Kaya wird sich nie mit dem Leben im Ausland anfreunden können. Er bleibt haltlos und die Sehnsucht nach der Heimat nagt an ihm. In verschiedenen Interviews aus dieser Zeit untermauert Kaya, dass er insbesondere unter dem Rufmord der türkischen Boulevardpresse leide und in die Türkei zurückkehren wolle. Am 16. November 2000, knapp anderthalb Jahre nach seiner Flucht, verstirbt Ahmet Kaya an den Folgen eines Herzinfarktes in Paris. Er wird auf dem Friedhof Père Lachaise, unweit vom Grab des Regisseurs Yılmaz Güney, beigesetzt. Mit Ahmet Kaya stirbt einer der wohl wichtigsten Vertreter des Genres der Özgün Müzik.
Özgün Müzik heute
Rückblickend stellen die 90er Jahre das goldene Jahrzehnt der Özgün Müzik dar. Neben der kreativen Entfaltung des Genres und ihres kommerziellen Erfolgs lässt sich dies vor allem an der gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Musikform ablesen. Die Vermengung arabesker Motive mit Gesellschaftskritik ist in dieser Zeit Sinnbild der sich wandelnden Sozialstruktur der türkischen Großstädte. Mitunter lässt sich hiermit vielleicht auch der politische Gräben überspannende Erfolg Ahmet Kayas erklären. Ungeachtet der politischen Verortung Kayas spiegeln sich in seinen Liedern Sehnsüchte und Gefühle wider, die für einen Großteil der urbanen Bevölkerung in der Türkei nachvollziehbar sind. Die Arbeiten Kayas fungieren in den 90er Jahren somit auch als Türöffner für andere Interpreten des Genres.
Anfang der 2000er Jahre – nach der öffentlichen Diskreditierung Kayas und seinem Tod – erleidet die Entwicklung der Özgün Müzik eine kurzzeitige Unterbrechung. Dies bedeutet jedoch nicht das Ende des Genres, vielmehr findet eine musikalische Neuorientierung statt – frei vom kommerziellen Druck. Bands wie Grup Kızılırmak oder das Istanbuler Musik-Ensemble Kardeş Türküler kehren mit ihren Arbeiten zu den Wurzeln der Özgün Müzik zurück. Im Fokus stehen erneut die Lieder des ruralen Anatoliens, diesmal jedoch nicht nur auf das Türkische begrenzt, sondern in seiner ganzen sprachlichen Vielfalt. So erreichen Kardeş Türküler mit Liedern auf Kurdisch, Zazaki, Armenisch und Lazisch nicht nur ein Millionenpublikum, sie brechen auch den sprachlichen Zwang der 90er Jahre auf.
Was also bleibt von der Özgün Müzik? Viele Stücke des Genres – insbesondere die Lieder Ahmet Kayas – besitzen heute einen Klassikerstatus und sind fester Bestandteil der Populärkultur des Landes. So trifft man insbesondere in aktuellen Serienproduktionen immer wieder auf Stücke Kayas, wie zum Beispiel in der beliebten Serie Çukur. Neben der weiterführenden Entwicklung der Özgün Müzik durch Bands wie Kardeş Türküler sind aber auch der Einfluss des spezifischen Sounds der originellen Musik auf andere Musikgattungen zu erkennen. Das wohl beste Beispiel hierfür ist das 2014 erschienene Ahmet-Kaya-Tribute-Album bir eksigiz (deutsch: Wir sind einer weniger), auf dem vor allem Rock-Künstler die Lieder Kayas reinterpretieren und aufzeigen, dass die Musik der 90er Jahre nichts von ihrer Kraft verloren hat.
So verhält es sich auch mit der Özgün Müzik – wie in einem Stück Ahmet Kayas, in dem es heißt: „Pass auf dich auf, denk nicht an mich, das Wasser fließt und findet schon seinen Weg…“
Text: Seçkin Söylemez
Foto: ahmetkaya.com
Seçkin Söylemez ist Gastautor bei Maviblau. Er ist Politologe und beschäftigt sich mit Entwicklungen im Kontext Deutschland-Türkei. Aufgewachsen mit dem Sound der Özgün Müzik interessiert er sich für die musikalische Rezeption gesellschaftspolitischer Prozesse in der Türkei. Twitter: Seçkin Söylemez
Seçkin hat auf Maviblau bereits einen langen Text über die Geschichte des Anadolu Rock geschrieben. Den könnt ihr hier lesen.