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Im Dizi-Fieber: Einschalten in die türkische Serienwelt

Liebe, Herzschmerz, Hass, Intrige oder Mord – stets untermalt von dramatischer Musik, platziert vor idyllischer Dorfkulisse oder der luxuriösen Skyline Istanbuls. Die ‚dizi‘, zu Deutsch ‚Serie‘, ist nicht nur im türkischen Wohnzimmer zu Hause. Zuschauer aus der ganzen Welt fiebern mit, wenn es um türkische Familiendramen und Beziehungsstress geht. Die Exportwunder werden sogar in Medien und Politik auseinandergenommen und für so manchen Tourismus-Boom verantwortlich gemacht. Im türkischen Alltag kommt man kaum drum herum: die Schicksale der Familien und Liebespaare lassen auch den letzten Serienfeind nicht mehr los, wenn Flimmerkästen beim Friseur, im Restaurant, im Hamam oder beim Bakkal gegenüber den Spannungsbogen permanent aufrecht erhalten. Für euch ein kleiner Überblick: Hier kommen fünf der erfolgreichsten türkischen Serien!

Gümüş

Gümüş erzählt von der Liebesgeschichte eines ungleichen Paares: Sie, aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen; er, Mehmet, gutbetucht und aus einer wohlhabenden Familie entstammend. Die Erfolgsserie wird auch als das türkische Pendant zur amerikanischen Cinderella-Story gehandelt. Zu Serien-Beginn verliert Mehmet bei einem tragischen Autounfall seine schwangere Freundin und stürzt daraufhin in eine tiefe Krise. Um wieder ins normale Leben zurückzufinden, veranlasst Mehmets Großvater die Hochzeit zwischen ihm und der schönen Gümüş. Diese ist seit Kindertagen in Mehmet verliebt, muss aber mit der Zeit enttäuscht feststellen, dass er ihre Gefühle nicht erwidert. Doch Gümüş macht sich gut im Kreise der Elite und kann schließlich auch Mehmets Herz für sich gewinnen. Das Melodrama wurde bereits 2005 ausgestrahlt und hat der türkischen Dramawelt erstmals zu internationaler Aufmerksamkeit verholfen. Unter dem arabischen Titel ‚Noor‘ und synchronisiert in syrischem Dialekt schaffte die Serie den Sprung über die Landesgrenzen. Allein 2008 soll die finale Folge von rund 85 Millionen Menschen im arabischsprachigen Raum verfolgt worden sein.

Muhteşem Yüzyɪl

Ein mächtiger Sultan, seine Lieblingsgemahlin und die anderen Damen des Harems zwischen Liebesnächten, Kriegsplanung und Intrigen – und das stets vor prächtiger Palast-Kulisse und in aufwendigen Kostümen. Das historische Serienepos Muhteşem Yüzyɪl widmet sich keinem Geringeren als Sultan Süleyman I., einem der bedeutendsten Herrscher des Osmanischen Reiches und seiner ausländischen Geliebten Hürrem. Die Serie erzählt vom persönlichen Leben der beiden Liebenden, vom Treiben im Palast und seinen Bewohnern. Diese Kombination aus romantischen Verwicklungen und historischer Erzählung hat beim Publikum Anklang gefunden: Muhteşem Yüzyɪl schaffte es in der Zielgruppe mitunter auf rund 36% – zum Vergleich: GZSZ kommt in Deutschland gerade mal auf Bestwerte von knapp 24%. Zudem wurde das Seriendrama bereits in über 40 Ländern ausgestrahlt. Der Bekanntheitsgrad lässt sich aber insbesondere daran messen, dass die Serie in der Vergangenheit sogar schon die Politik auf den Plan gerufen hat: Ein Staatspräsident, der laut Kritik übt an der verfälschten Darstellung historischer Ereignisse und ein Antrag von Seiten eines AKP-Abgeordneten zur Unterbindung der Ausstrahlung. Als Konsequenz nahm Turkish Airlines zwar das Serienepos aus dem Bord-Programm, gänzlich gestoppt wurde Muhteşem Yüzyɪl aber nicht.

Fatmagül’ün Suçu Ne?

Fatmagül’ün Suçu Ne? erzählt die tragische Geschichte des Dorfmädchens Fatmagül. Zu Serienbeginn ist diese noch glücklich verlobt mit ihrer Kindheitsliebe Mustafa, doch nur eine Nacht bringt eine schreckliche Kehrtwende in ihr Leben: Drei Männer machen sich über die junge Frau her und vergewaltigen sie im Beisein eines Vierten namens Kerim. Fatmagül wird zudem Opfer einer Intrige. Aufgrund ihres anfänglichen Gedächtnisverlusts, Gelderpressung und der Verbreitung falscher Gerüchte wird sie in die Ehe mit Kerim getrieben. Als verheiratetes Paar ziehen beide nach Istanbul und Fatmagül muss fortan mit einem ihrer mutmaßlichen Vergewaltiger zusammen leben. Der Plot von Fatmagül’ün Suçu Ne? basiert auf einer wahren Begebenheit, die bereits Anfang der 80er von dem Autor Vedat Türkali im gleichnamigen Roman verarbeitete wurde. Darin wird mitunter auf ein damalig bestehendes türkisches Gesetz aufmerksam gemacht, nach dem Vergewaltigungen straffrei bleiben konnten, sofern das Opfer einwilligte, den Täter zu ehelichen. Die Serie selbst wurde damals zum Quotenerfolg, stieß aber auch auf kritische Stimmen, insbesondere aufgrund der Darstellung von Vergewaltigung als Entertainment-Produkt.

Aşk-ɪ Memnu

Aşk-ı Memnu thematisiert die verbotene Liebesaffäre zwischen der reichen Bihter und dem Schönling Behlül. Das Verbotene daran? Behlül ist der Neffe von Bihters Ehemann. Davon ausgehend nimmt das Familiendrama seinen Lauf und zeigt neben dem Netz aus Intrigen auch das delikate Leben der Istanbuler Upper Class. Auch bei dieser Serie handelt es sich um die Adaption eines gleichnamigen Romans. Das Drama vom türkischen Schriftsteller Halit Ziya Uşaklıgil erschien zunächst in Reihen, bevor es 1900 als Gesamtwerk veröffentlicht wurde. Eine Geschichte aus vergangenen Zeiten, die ein wenig überarbeitet und ins Hier und Jetzt platziert Millionen begeistert hat. In der Erfolgsserie wurden auch zwei der beliebtesten Seriendarsteller zusammengebracht: Beren Saat, die in Fatmagül’ün Suçu Ne? die Hauptrolle spielt sowie Kıvanç Tatlɪtuğ, der in Gümüş als Mehmet auftritt. Beiden verhalf die Serie zu enormer Popularität – besonders im Ausland wurden die Darsteller zu Kultfiguren. In der arabischsprachigen Boulevardpresse wird Kıvanç mitunter als der „türkische Brad Pitt“ bezeichnet.

Öyle Bir Geçer Zaman Ki

Das Seriendrama Öyle Bir Geçer Zaman Ki  spielt im Istanbul der 60er Jahre und dreht sich um das Leben der sechsköpfigen Familie Akarsu. Als der Familienvater und Kapitän von einer seiner Schiffsreisen zurückkehrt, steht plötzlich seine niederländische Reiseliebschaft vor der Haustür. Die große Blonde stößt auf breite Feindseligkeit und wird im weiteren Verlauf von der Ehefrau attackiert und verwundet. Um Letztere aus dem Gefängnis zu bekommen, muss der Familienvater Ali seiner neuen Geliebten die Hochzeit versprechen – und kehrt seiner Familie zunehmend den Rücken. So nimmt das Unglück seinen Lauf. Drama wird hier großgeschrieben: In insgesamt drei Staffeln wird gemordet, betrogen, geweint, gelogen und geliebt, was das Zeug hält. Öyle Bir Geçer Zaman Ki konnte in der Türkei und im Ausland nicht nur enorm viele Zuschauer begeistern. Die Serie hat auch einen deutschen Exportstar hervorgebracht: Die in Deutschland gänzlich unbekannte Wilma Elles spielte damals die niederländische Geliebte. Angefangen mit rudimentären Sprachkenntnissen spricht sie heute nicht nur fließend Türkisch, sondern nennt die Türkei – und seine roten Teppiche – auch weiterhin ihr Zuhause.

 

Text und Bildmaterial: Maximiliane Schneider
Redaktion: Yasemin Bodur