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Kanakistan – ein geschützter Raum für (post-)migrantische Perspektiven

“Wo ist meine Heimat? Was ist eine Heimat?” – Diese Fragen stehen zu Beginn des Gedichtes “Haymatlos” von Tamer  Düzyol. Und diese Fragen sollen nun in einem ganzen Gedichtband ausgehandelt werden. Das zweiköpfige Künstlerkollektiv “Kanakistan” von Taudy Pathmanathan und Tamer Düzyol sammelt derzeit Gedichte und Geld für ein Buch voll mit Lyrik über Themen wie Migration, Rassismus und Identität.

Eigentlich sei „Kanakistan“ aus der Not heraus entstanden, beginnt Tamer zu erzählen. „Thüringen, Erfurt ist halt nicht Köln, Berlin oder München. Hier hat man nicht so viele geschützte Räume oder (post-)migrantische Initiativen.“ Das wollten Taudy und Tamer ändern und haben kurzerhand die Veranstaltungsreihe „Willkommen in Kanakistan“ ins Leben gerufen: Bei insgesamt sieben Kunst- und Kulturveranstaltungen haben die beiden (post-)migrantischen Gästen eine Bühne geboten. Die Bandbreite der KünstlerInnen reichte von Jilet Ayse über Djane Masta Sai bis hin zu Mutlu Ergün-Hamaz und vielen mehr. Weil das Konzept so gut angenommen wurde, hat das Kollektiv das Projekt 2017 mit weiteren Events unter dem Titel “Kanakistan 2.0” fortgesetzt.

Wichtig ist Tamer und Taudy dabei, Themen wie Rassismus nicht auf akademische Art und Weise zu behandeln, sondern einfach zugänglich zu machen. Zum Beispiel durch Lyrik, wie in ihrem neuesten Projekt: Einem Lyrikband namens „Haymatlos“. Dieses Werk soll Gedichte von circa 15-20 Autor*innen beinhalten, die ihre Erlebnisse und Gedanken zu Themen wie Interkulturalität, (Post-)Migration und Rassismus auf Papier gebracht haben.

Über Social Media hatte das Kollektiv einen Aufruf gestartet – und eine Vielzahl an Einsendungen erhalten. „Das Buch soll auch verschiedene Kontexte zusammenbringen“, erzählt Tamer, „da haben wir die Perspektiven von GastarbeiterInnen, von Geflüchteten, von schwarzen Menschen.“ Bis 21. März können noch weitere Gedichte eingesendet werden. Dann fehlt nur noch das Geld für den Druck: Wenn die Crowdfunding-Kampagne der beiden Ehrenamtlichen erfolgreich ist, könnte das Buch schon im August oder September gedruckt werden, sagt Tamer.

Ausschlaggebend für die Idee für Haymatlos war ein Gedicht, das Tamer und Taudy von einer Followerin zugeschickt bekamen. „Da haben wir uns gedacht, in Thüringen gibt es bestimmt viele Leute, die diese Themen aushandeln müssen, die mehrere kulturelle Identitäten haben.  Und wahrscheinlich machen das noch mehr Menschen so, dass sie in ihrem stillen Kämmerlein etwas darüber schreiben.“ Diesen Menschen will Kanakistan einen geschützten Raum bieten: „Das Projekt wollen wir als Plattform nutzen, so dass die Stimmen dieser Leute gehört werden“, sagt Tamer.

Mit dabei sind auch Gedichte von Taudy und Tamer selbst: Denn auch sie sind Rassismus ausgesetzt – Tamers Eltern stammen aus der Türkei, Taudys Eltern aus Sri Lanka. „Mittlerweile habe ich da eine Art Hornhaut aufgebaut“, meint Tamer, „in vielen Momenten versuche ich, die Dinge einfach zu überhören.“ Trotzdem ist Kanakistan für ihn auch ein Projekt, um nicht nur wegzuhören, sondern auch aktiv zu werden: „Damit man etwas macht, und nicht nur sagt, ‚alles ist scheiße’“. Aus dem Gefühl etwas tun zu müssen, konnte so mit viel ehrenamtlichen Engagement ein Projekt entstehen, dass man vielleicht schon bald in Form eines Buches in den Händen halten kann.

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Hier könnt ihr Kanakistan unterstützen. Auch auf MAVIBLAU gibt es Lyrik zu entdecken: In unserer Reihe “Strassenlyrik” von Carina Plinke.

Text: Marlene Resch
Bilder: Madlen Merten
Redaktion: Jonas Wronna