Welche Erinnerungen sind so tief in einem verankert, dass sie zur Identität werden? Und wie kann unser Körper davon erzählen? Im Workshop: „Waving Bodies: Identity & Migration“ wurde durch zahlreiche Schreib-, Theater- und Imaginationsübungen eine intime Atmosphäre gestaltet, ein Zugang zum Körper geschaffen und die aufkommenden Emotionen in neue, kreative Formate umgewandelt.
Entwickelt und gehalten wurde „Waving Bodies” im Februar von Theaterregisseurin Irem Aydin, Stipendiatin des Fellowship Programms „Weltoffenes Berlin“ des Berliner Senats. Sie hat im Rahmen des Stipendiums gemeinsam mit Maviblau das Projekt „Waves” entwickelt, das auch die Workshopreihe beinhaltet. Waves setzt biografische Arbeit im Zusammenhang mit Performance in den Fokus. Durch die performative und textliche Auseinandersetzung mit dem Selbst haben die Teilnehmer*innen der Workshops die Möglichkeit, ihre Biografie zu reflektieren und diese zu kollektiven Erfahrungen zu transformieren.
Thema dieses Workshops waren die Themen „Identität” und „Migration“. Dabei ging es darum, diesbezüglich prägende Erinnerungen zu beleuchten und mit anderen zu teilen. „Die Übungen waren teils herausfordernd, teils entspannend und dadurch wurden Körper und Geist angeregt und es kam zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Schlüsselerlebnissen aus der Vergangenheit”, erzählt Kadir, Teilnehmer des Workshops. Gleichzeitig habe das Teilen der Erinnerung und das gemeinsame Gespräch dazu verholfen, Erzählstränge neu zu definieren. Durch kreative Methoden wurden Erinnerungen weiterentwickelt und umgeformt und neu erzählt zu Papier gebracht.
Auch auf gesellschaftspolitische Großereignisse und ihren Einfluss auf Identität wurden durch die kreative Bearbeitung von Zeitungsartikeln eingegangen. Zu diesen zählten zum Beispiel ein Bericht zum 11. September oder der Silvesternacht in Köln. Die Teilnehmenden besprachen über ein textliches Brainstorming Themen wie Rassismus, Zuschreibungen und gesellschaftliche Positionierungen. „Am Ende hatten wir alle einen neuen Blickwinkel und ein neues Bewusstsein für uns selbst und auch für unsere Einbettung in die gesellschaftspolitische Realität”, erzählt Kadir. Durch die souveräne und empathische Art der Workshopleitenden habe man sich außerdem die ganze Zeit gut aufgehoben gefühlt und es sei eine sehr intime Atmosphäre entstanden, findet Marlene, Teilnehmende des Workshops.
Theaterregisseurin Irem Aydin arbeitet schon seit langer Zeit mit biografischen Methoden zur Entwicklung performativer Stücke. Zuletzt hat sie in Zusammenarbeit mit Maviblau die multimediale Leseperformance „Türkland“ entwickelt und inszeniert, in der die autobiografische Geschichte von Schauspielerin Dilşad Budak-Sarıoğlu thematisiert wird. Auch in dem Workshop geht es letztendlich um die Entwicklung von kreativen, performativen Texten, die aus der Kraft eigener Erinnerung und der Auseinandersetzung mit sich selbst gewonnen werden. Teilnehmerin Tuğba sagt dazu: “Der Workshop mit Irem hat mir dabei geholfen, meine Gedanken auf Papier zu bringen. Denn mit Hilfe physischer, gedanklicher und kreativer Methoden hat sie es uns ermöglicht, durch die eigene Biografie zu reisen, aber auch das Jetzt zu vertiefen. So kam ich in verwinkelte Ecken meines Seins, konnte dort Halt machen und meine Gedanken – auch im Austausch mit den anderen Teilnehmer*innen – schriftlich festhalten.”
Durch den Workshop sind zahlreiche Texte entstanden, die die Teilnehmenden mit nach Hause nehmen und weiter bearbeiten konnten. Es ist nun ein performatives Event geplant, bei dem Teilnehmende und Performer*innen die Texte vorführen und biografische Blickwinkel auf die Themen Migration und Identität einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen können. Durch die aktuelle Corona-Pandemie muss das Event allerdings erstmal auf ungewisse Zeit verlegt werden.
Für Juni und Oktober sind bisher weitere Waving Body – Workshops geplant. Diese werden in Berlin stattfinden und sind kostenfrei. Bei Interesse könnt ihr euch bei Irem melden: irem.aydin@maviblau.com. Wegen der aktuellen Situation ist allerdings noch nicht klar, in welcher Form die Workshops stattfinden werden.
Text und Bilder: Redaktion