Sich bei 15 Grad die Hände am Punsch wärmen, ist irgendwie ein eigenartiges Gefühl. Die Zeit bis zum 24. Dezember, die in Deutschland mit Tannenzweigen, Lichtern und Lebkuchen gefüllt ist, fühlt sich in Istanbul anders an. Weihnachtsmusik gibt es nur in amerikanischen Café-Ketten zu hören und auf ein paar Tage Urlaub und Familienfeierlichkeiten bereitet sich auch niemand vor. Der 24. Dezember ist in der Türkei ein Arbeitstag wie jeder andere. Doch für Weihnachtsstimmungssucher und Deutschland-Vertraute gibt es Nischen, in denen man ganz von der Feierlichkeit des Advents eingemummelt werden kann.
Die Deutsche Schule Istanbul hat dieses Jahr ihren 52. Weihnachtsbasar organisiert. Dort gab es am Samstag, den 6. Dezember von Weihnachtsständen mit Waffeln, Kartoffelpuffer, Kinderpunsch über verkleidete Weihnachtsmänner, Weihnachtstombola bis hin zu Speck und Spekulatius alles, was das heimatferne Herz begehrt, nur halt bei 15 Grad und mit Blick auf den Galataturm.
Der Hof und die Klassenräume waren gerammelt voll mit Menschen unterschiedlichsten Alters, die kamen, um sich die Festlichkeiten anzuschauen.
Gizem und Miriam aus Frankfurt und Köln sind mit dem Erasmusprogramm in Istanbul. Die eine, um türkisch zu lernen, die andere, um es zu perfektionieren.
Miriam: Wir sind hier, weil das der einzige Weihnachtsmarkt ist, von dem wir im Internet gelesen haben, da wollten wir mal sehen, welches deutsches Essen wir hier so aufschnappen können.
Gizem: Also, im Vergleich zu den Weihnachtsmärkten in Deutschland fehlt mir hier ja das Karussell. Aber ich liebe alle Weihnachtsmärkte. Besonders den in Frankfurt. Im Winter steige ich immer extra eine Station früher aus der Bahn aus, wenn ich zur Uni gehe, um über den Weihnachtsmarkt zu laufen.
Wie ist es denn, Weihnachten nicht zuhause zu sein?
Miriam: Ich genieße es ehrlich gesagt mal, den ganzen Weihnachtsstress nicht mitmachen zu müssen. Ist auch mal ganz schön, für ein Jahr auszusetzen.
Gizem: Wir feiern bei uns kein Weihnachten. Aber den Weihnachtsmarkt vermisse ich wirklich. Deshalb ist es schön, hier eine Art Ersatz zu finden.
Miriam: Aber es ist so warm. Wir haben Weihnachtsmützen mitgebracht, die wir aufziehen wollten. Aber dafür ist es uns einfach zu warm.
Rotraut lebt seit 25 Jahren in der Türkei. Sie ist mit ihrer Tochter Deniz und deren Tochter Alice auf den Weihnachtsmarkt gekommen.
Rotraut: Ich will, dass mein Enkelkind mit der deutschen Kultur vertraut bleibt. Dafür sind wir heute hier. Für die Kleine.
Was vermissen Sie hier in der Weihnachtszeit?
Rotraut: Die Einfachheit. Es ist schon schwerer an Kerzen und vor allem an einen echten Tannenbaum heran zu kommen. Dafür muss man sich hier mehr anstrengen als in Deutschland. Und die Festlichkeiten bleiben privater. Die Festtage als auch die Vorbereitungen, wie das Aufstellen und Schmücken des Weihnachtsbaumes. Das geschieht abgeschiedener von der Außenwelt.
Daniel Mert und Luisa sind Schüler der Deutschen Schule Istanbul und haben sich freiwillig gemeldet, zu helfen und Geld für Straßenkinder und Bedürftige zu sammeln. Dafür sind sie ins Weihnachtsmannkostüm geschlüpft.
Warum haben sich eure Eltern für euch für die deutsche Schule entschieden?
Daniel Mert: Also ich bin auch schon im deutschen Kindergarten gewesen. Meine Eltern wollten, dass ich durch meine Ausbildung auch die Möglichkeit habe, im Ausland studieren, arbeiten und leben zu können.
Lusia: Ich bin seit zweieinhalb Jahren hier. Meine Mutter arbeitet fürs Konsulat und wir ziehen alle vier Jahre um. Und an dieser Schule habe ich nahtlos Anschluss.
Wie sieht bei euch Weihnachten aus? Feiert ihr?
Daniel Mert: Also, meine Familie ist christlich. Deshalb ja. Wir gehen in die Kirche und sind mit der Familie zusammen. Für mich ist Weihnachten aber vor allem: Weihnachtsferien, die gibt es nämlich an unserer Schule, den Weihnachtsbaum schmücken und einfach Zeit miteinander verbringen.
Luisa: Bei uns gibt es zu Weihnachten hier in Istanbul keinen Tannenbaum, weil man den nicht so leicht bekommen kann. Deshalb haben wir als Ersatz eine Krippe bei uns stehen. Das funktioniert auch gut.
Sinan und Atalay gehen in die neunte Klasse der Deutschen Schule. Auch sie wollen die Möglichkeiten nutzen, später ins Ausland zu gehen um dort zu studieren und zu arbeiten.
Wie gefällt euch der Weihnachtsmarkt?
Sinan: Schön. Das ist schon ein bisschen eine fremde Welt aber so haben wir die Möglichkeiten, die deutsche Kultur zu beobachten.
Atalay: Und natürlich auch das deutsche Essen zu probieren.
Hat es euch geschmeckt?
Atalay: Ja, ich hab Bockwurst gegessen. Das war lecker.
Stephanie betreut den Stand der deutschsprachigen evangelischen Kirchengemeinde der Kreuzkirche auf dem Weihnachtsmarkt. Der Verkauf der handgemachten Sterne und Stickarbeiten kommt wieder den Straßenkindern und anderen Bedürftigen zugute. Stephanie ist seit 18 Jahren in der Türkei.
Wie gefällt Ihnen die Atmosphäre hier auf dem Weihnachtsmarkt?
Stephanie: Die ist schön. Wenn man lange hier ist, dann hat man ein großes Netz an Bekannten und Freunden, die, wie man selbst deutschsprachig sind. Und hier kommen viele von ihnen zusammen. Das ist eine schöne Atmosphäre.
Wie feiert Ihre Familie Weihnachten?
Stephanie: Zu Weihnachten feiern wir in der Gemeinde und dann danach mit den Kindern zuhause. Meine Eltern kommen uns aus Deutschland besuchen und bringen im Koffer die Weihnachtsgans mit. Die wird also wortwörtlich eingeflogen. Und so haben wir dann ein richtiges Weihnachtsfest mit deutschem Gänsebraten.
Fotografie: Charlotte Schmitz