Driving home fürs Opferfest: Ich habe mir extra Urlaub genommen und fahre aus Sachsen-Anhalt nach Baden-Württemberg zu meinen Eltern. Gemeinsam wollen wir das Opferfest feiern.
Wenn ich das so sage, habe ich das Gefühl, dass das für manche meiner Freunde eigenartig klingt: Ich habe nämlich viele vegetarische Freund*innen und wer nicht vegetarisch lebt, ist manchmal sogar vegan. Erzähle ich, dass wir Opferfest feiern, Tiere schlachten und diese an Menschen verteilen, dann spüre ich schon, dass das für manche etwas skurril klingt.
Aber es dreht sich ja nicht alles um das Fleisch: Wenn wir zurückblicken und uns die Geschichte anschauen, dann versteht man schon ein Stück weit besser, was sich hinter dieser Tradition verbirgt. Und doch mag sich so manch einer meiner Freund*innen trotzdem fragen: Wie verläuft so ein Tag am Opferfest überhaupt? Was für Traditionen haben sich mit der Zeit ergeben und wie gehen wir in Deutschland damit um?
Wir fangen jetzt mal ganz von vorne an: Wenn ich meinen Koffer packe, sind auf jeden Fall halbwegs schicke Klamotten dabei. Am Opferfest ziehen sich alle schön an, manchmal geht man sogar vorher noch shoppen. Kinder werden sowieso neu eingekleidet. Die freuen sich auch am meisten auf das Opferfest, denn es gibt nicht nur neue Kleider, sondern auch Süßigkeiten und Geld. Die Kleinen gehen von Tür zu Tür und sammeln von allen Verwandten und türkischen Nachbarn alles, was sie bekommen können. Ich selbst habe mir dieses Jahr nichts Neues gekauft, aber zumindest eine Bluse nehme ich mit, weil die Kleidung meiner Mutter sehr wichtig ist.
Ich komme im schönen Schwabenland am Tag Arefe an, also einen Tag vor dem Opferfest. Bei uns in der Umgebung schlachtet kaum jemand selbst Tiere. Viele schicken stattdessen Geld in andere Länder. Es gibt eigene Organisationen, die sich darum kümmern. Unsere Gabe wird dieses Jahr entweder in Uganda oder Sri Lanka landen, ich weiß es nicht so genau. Aber auf alle Fälle bedeutet das schon mal, wir haben es entspannter und müssen nicht den Vormittag damit verbringen, riesige Mengen an Fleisch zu sortieren und zu verteilen.
Trotzdem geht der Tag sehr früh los. Die Männer gehen morgens um 06:30 Uhr aus dem Haus zum Gebet in die nächstmögliche Moschee. Die Frauen müssen nicht mit, aber meine Mutter steht trotzdem sehr früh auf, um ein riesiges Festmahl vorzubereiten. Obwohl ich lieber ausschlafen würde, helfe ihr dann in der Küche. Sobald die Männer wieder zurück sind, gibt es ein gigantisches Frühstück, so groß, dass wir Tetris auf dem Tisch spielen müssen. Da bleibt kaum noch Platz, um ein Glas abzustellen.
Danach ist der Vormittag eigentlich erst einmal entspannt. Aber parallel zu allem, was wir tun, gibt es immer wieder Telefonstau. Wir rufen alle Verwandten und Bekannten an, die wir nicht sehen werden (zum Beispiel die Großeltern in der Türkei) und mindestens genauso viele Anrufe kommen bei uns an. Ich finde es cool, mal wieder mit allen zu sprechen, von denen ich lange nichts gehört habe. Bayram ist einfach eine sehr schöne Gelegenheit, um zusammenzukommen. Und das nicht nur am Telefon: Am Nachmittag kriegen wir von vielen Gästen Besuch. Die Jüngeren gehen zu den Älteren. Meine Eltern gehören zu den Ältesten in der Umgebung, also gibt es auch viele, die zu uns kommen.
Für mich sind die vielen Treffen der beste Teil am Opferfest. Obwohl Bayram dieses Jahr unter der Woche ist und die meisten Leute arbeiten müssen, sind wir viele Menschen. Ich genieße die kleinen Momente und fühle auch, dass ich einfach dazu gehöre. Scheinbar falle ich aber trotzdem auf. Meine Mutter meint irgendwann im Laufe des Tages: „Du bist so unglaublich deutsch geworden!“ Ich höre das nicht zum ersten Mal, aber weiß immer noch nicht, was damit genau gemeint ist. Wenn ich sie frage, kann sie es mir auch nicht richtig erklären.
Persönlich empfinde ich es so, dass ich immer wieder zwischen beiden Kulturen hin und her wandere. Mal bin ich für die Außenwelt „ultradeutsch“, mal „megatürkisch“. Was auch immer die Menschen damit meinen: Ich bin halt ich. Ich liebe es, wenn wir Opferfest feiern und genauso freue ich mich auch auf die Weihnachtszeit und beschenke meine biodeutschen Freunde mit Schokoweihnachtsmännern. Vielleicht geht es ja manch anderen so ähnlich wie mir? Ich höre mich ein bisschen bei den jüngeren Gästen um.
Sinan (21 Jahre)
Was bedeutet das Opferfest für dich?
Bayram ist Family für mich.
Was findest du besonders schön?
Ich finde das Zusammenkommen schön.
Was findest du uncool?
Was soll schon uncool an Bayram sein?
Mehmet (27 Jahre)
Was bedeutet das Opferfest für dich?
Kurban ist die Hingabe zu Gott. Das Wort kommt von kurbiyet und bedeutet die Nähe zu Gott. Um die Nähe zu erlangen, kann man auf Dinge verzichten, die einem sehr wichtig sind. Das Tier steht symbolisch dafür.
Was findest du besonders schön?
Ich finde es schön, dass man Zeit mit der Familie und Freunden verbringt, dass man sich beschenkt und dass man viel isst.
Was findest du uncool?
Uncool finde ich, dass man immer mehr vom ursprünglichen Gedanken abkommt und sich unwichtigen Details widmet.
Elif (7 Jahre)
Was bedeutet das Opferfest für dich?
Wir müssen ein Kurban schlachten und das Anderen schenken.
Was findest du besonders schön?
Wenn ich Bonbons bekomme.
Was findest du uncool?
Meine Schwester kann das dir erzählen…
(Die Hintergrundgeschichte ist, dass sie letztes Jahr die Opferfestzeit in der Türkei verbracht haben. Der Vater hatte eine Ziege gekauft und sie mit nach Hause gebracht. Als Elif die Ziege im Garten entdeckt hat, war sie sehr glücklich und hat ihr den Namen Leyla gegeben. Der Vater sagte: „Leyla gehört heute dir, aber morgen wieder mir.“ Elif war damals einverstanden, aber hatte am nächsten Tag ihre Meinung geändert. Da war die Ziege aber schon verschwunden.)
Zeynep (10 Jahre)
Was bedeutet das Opferfest für dich?
Wir schlachten ein Tier und das ist ein Geschenk an Gott für alles, was wir geschenkt bekommen haben.
Was findest du besonders schön?
Dass wir Menschen helfen, die das brauchen.
Was findest du uncool?
Ich mag alles an Bayram.
Text & Fotos: Vesile Özcan
In unserer Reihe “Islam für Anfänger” erklären wir euch, Traditionen, Begriffe und Feste des Islam. Hier geht es beispielsweise um den Fastenmonat Ramadan.