Zeitreisen, Außerirdische und zwei sympathische Antihelden aus Duisburg in der Bredouille. Das kennt man – wenn auch nicht unbedingt in dieser Kombination. Allerdings birgt das vordergründig komische Weltraumabenteuer „Alis vs. Aliens“ von Levent Kesik noch eine weitaus tiefer gehende Ebene. Doch dazu später mehr.
Um was geht es? Die beiden bereits erwähnten Antihelden Barbaros Ali und Ali Raif – absolute Versager, nach eigener Aussage – werden unfreiwillig zu Turkonauten. Unfreiwillig, da weder der eine noch der andere jemals irgendetwas mit Raum- und Luftfahrt zu schaffen gehabt hätte. Im Gegenteil, bei den beiden Cousins beginnt das Abenteuer zunächst als eine Verkettung ungünstiger Umstände in Duisburg. Während Ali Raif für den richtigen Geschmack in einer Ayran-Fabrik zuständig ist, misslingt seinem Vetter Barbaros Ali eine Geschäftsidee nach der anderen, bis ihn auch noch seine Frau mit den Kindern verlässt. Die Rettung aus der notorischen Arbeitslosigkeit soll ein Termin bei Ali Raifs Chef bringen. Doch auch die neueste Geschäftsidee von Barbaros Ali – in Dosen gepresste Luft aus der „Heimat“ – scheint an dieser Stelle des Buches nur ein weiterer Fehlschlag zu sein. Aus der Kooperation mit dem Getränkehersteller wird nichts und zu allem Überfluss verliert Ali Raif auch noch seinen Job. Er hätte sich eben nicht für seinen Vetter einsetzen sollen.
Ungefähr zur gleichen Zeit versucht sich die Türkei an einem bemannten Raumfahrtprogramm, dessen erster Start jedoch im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fällt. Schuld ist eine alte türkische Tradition. Ein Jahr später soll jedoch die NAZAR-II einen neuen Versuch wagen. Zu dieser Zeit sind die beiden Alis bei einer Reinigungsfirma untergekommen, die – wie es die Vetternwirt… pardon, der Zufall so will – im Raumfahrtzentrum bei Ankara für Sauberkeit sorgt. Das klingt zunächst einmal, als hätten die beiden Pechvögel Ali Raif und Barbaros Ali endlich ein wenig Glück und wären zumindest beruflich gut versorgt. Doch Pech ist bekanntlich schwer abwaschbar und so kommt es zu dem einen großen Missgeschick, welches aus den beiden Duisburger Cousins die ersten Turkonauten im Weltall macht. Doch mehr als das, denn Levent Kesiks Geschichte wird zeigen, dass die beiden Alis im Verlauf des Buches mehr als einmal Geschichte schreiben, ohne in selbige einzugehen.
Mit dem türkischen Raumschiff durch die Zeit
Der erste Kontakt mit Außerirdischen und die Rettung der Welt durch mehrmaliges Zeitreisen sind nur zwei kleine Beispiele für den reichhaltigen Themenschatz, aus dem sich Kesik in „Alis vs. Aliens“ bedient. Der Autor versteht es, viele typische Elemente der Science-Fiction-Literatur mit den beiden eigentlich unscheinbaren Alis aus Duisburg zu verweben. Heraus kommt dabei eine abgedrehte Reise, die auf ihre ganz eigene Art und Weise urkomisch ist, ohne dabei jedoch unrealistisch zu wirken. (Zumindest, wenn man Zeitreisen und Aliens nicht völlig abgeneigt gegenüber steht.)
Die Komik im Buch wird jedoch nicht nur durch die beiden Protagonisten erzeugt, deren Abenteuer und Wortwitz stellenweise an Bullys Film „(T)Raumschiff Surprise“ (2004) erinnern, sondern auch durch den zahlreichen Gebrauch von Klischees aus der türkischen Community in Deutschland.
Diese sparsame – allerdings kontinuierliche – Verwendung von oft als „typisch“ erkannten Elementen (3er BMW, Allmacht der Mutter, Ausdrucksweise) erzeugt hinter der vordergründig komischen Geschichte eine zweite Ebene. In dieser geht es plötzlich um Heimatgefühle und Erinnerungen aus der Kindheit. Dass eben jene Verbindung zur Herkunft für die beiden Antihelden Ali Raif und Barbaros Ali eigentlich zweitrangig ist, dann aber doch im letzten Moment den Unterschied in ihrem Abenteuer ausmacht, soll an dieser Stelle nicht zu detailliert erzählt werden. Hängen bleibt in jedem Fall, dass neben Witz und Spaß beim Lesen eben auch dieses Hintergrundbild zum Nachdenken anregt. Nicht zuletzt auch deshalb, da der anfangs erfolglosen Geschäftsidee „Heimatluft in Dosen“ doch noch eine würdige Rolle zukommt. Ganz zu schweigen vom beliebten Kinderspiel „Langer Esel“.
Text und Foto: Navid Linnemann