Am 5. März erscheint das fünte Album von “Olta” – einem solidarischen Künstlerkollektiv aus der Türkei. Wir haben uns mit Musiker und Mitbegründer Veys Çolak über Herausforderungen für Musiker*innen in der Türkei (vor und während der Pandemie) und das in diesem Zusammenhang entstandene Solidaritätsalbum “Olta” [deutsch: Angelrute] unterhalten.
Maviblau: Veys Çolak, lass uns zuerst über dich sprechen. Wer bist du und was machst du genau?
Veys Çolak: Ich bin Musiker und in vielen Bereichen der Musik tätig. Für die Musik interessiere ich mich seit meiner frühesten Kindheit. Bereits während meines Studiums der Musikwissenschaften war ich als Musikautor für verschiedene Magazine tätig. Heute spiele ich hauptsächlich Gitarre, arrangiere und veröffentliche meine eigenen Lieder.
Was kannst du uns etwas über die Herausforderungen vor und während der Pandemie erzählen, denen sich Musiker*innen in der Türkei stellen müssen?
In der Türkei Musiker zu sein ist eine Geschichte für sich. Vor der Pandemie konnten wir unsere Konzerte nach Belieben planen, doch jetzt sind wir gezwungen Zuhause zu bleiben, weil alle Räumlichkeiten schließen mussten und die Bedingungen sich immer weiter erschwerten. Während bekannte Namen mit Online-Konzerten und Sponsoring irgendwie weitermachen können, stecken eher unbekannte Musiker, Instrumentalisten und Bühnenarbeiter in einer viel aussichtsloseren Situation. Leider haben sich deshalb bisher mehr als 100 Musiker für den Freitod entschieden. Die meisten Kollegen konnten ihre Miete nicht zahlen und stehen jetzt mittellos da.Wie in den meisten künstlerischen Tätigkeitsbereichen, ist auch für Musiker die finanzielle Unterstützung eher unzureichend. Natürlich gibt es Kollegen, die ihre Arbeitsstelle wechselten, allerdings stellt die Arbeitslosigkeit in der Türkei im Moment eine eigene Baustelle dar.
Gab es schon vor dem “Orta”-Projekt eine Gemeinschaft in der Türkei, die gemeinschaftliche Lösungsansätze für Maßnahmen zur Abhilfe von Herausforderungen im Bereich der Musik schaffen wollte?.
Wir haben eine Zeit lang versucht eine unabhängige Musikformation zu bilden, kamen aber nicht wirklich voran. Der Grund hierfür ist, dass sich Musiker nur sehr schwer vereinen und organisieren lassen. Es gibt zwar eine Gewerkschaft namens “Müzik Sen”, über dessen Aktivität ich allerdings nicht wirklich informiert bin. Die Unterstützung der Berufsverbände sind leider auch bescheiden. Ich weiß nicht, ob es eine Gemeinschaft geben wird, die alle Probleme gleichermaßen bewältigen kann, aber einige Länder haben zu ähnlichen Problematiken bereits gute Lösungswege gefunden.
Ich habe von Benefizkonzerten für Musiker*innen und ähnliche Beispielen der Abhilfe einer solidarischern Vergemeinschaftung gehört, ein weiteres Exempel zu eurem Solidaritätsalbum fällt mir allerdings nicht ein. Kannst du zu dem “Olta”-Projekt noch mehr Details verraten?
Es gibt tatsächlich ähnliche Beispiele, die von Zeit zu Zeit gemacht wurden, aber keines von ihnen war wirklich langlebig. Das hat meiner Meinung nach den Grund, dass keiner dafür die Hand ins Feuer legen und die Verantwortung übernehmen will. Ich bin sicher, dass alle gute Absichten haben. Allerdings ist Ausdauer und Beständigkeit hierbei ausschlaggebend, aber auch sehr schwer in der Durchführung. Ich bin guter Hoffnung, dass wir das bei dem “Olta”-Projekt das erste Mal hinbekommen werden.
Dann kommen wir zum Solidaritätsalbum “Olta”. Wie kam es zu dieser Idee und wer war bei der Verwirklichung maßgebend?
Wir haben mit Irfan Alış von der Gruppe “Peyk” in Izmir ständig über diese Idee gesprochen. Der Gedanke entwickelte sich und reifte aus, sodass wir uns entschlossen haben, ein Album zu machen, dessen Einnahmen zugunsten mittelloser Musiker gehen sollte. Je mehr wir diese Idee auf Social Media teilten, desto mehr Lieder wurden uns zugeschickt. Als wir das erste Album hochluden, wurde es sehr oft geteilt und weitere Zusendungen von neuen Liedern folgten. Anschließend bildeten wir ein Team von Freunden, die uns freiwillig unterstützen wollten. Während sich der eine um Youtube oder Instagram kümmerte und der andere weitere Lieder sammelte, wuchs das “Olta”-Projekt immer weiter. Es gibt sogar Unterstützer, die finanzschwachen Musikern die Möglichkeit gaben, ihre Songs im Studio aufzunehmen oder zu arrangieren. Nachdem wir bereits vier Alben veröffentlichten, planen wir im März das fünfte Album herauszubringen.
Da ich selbst Musiker bin, war ich sehr aufgeregt von dieser Idee zu hören und sendete zur Unterstützung einen eigenen Song ein, welcher auch im vierten “Olta” Solidaritätsalbum veröffentlicht wurde. Wird diese Albumreihe fortgesetzt? Wie können talentierte Musiker, die Lieder schreiben oder komponieren, euch erreichen und das “Olta”-Projekt unterstützen? Was müssen sie tun, um ein Teil von dieser Aktion zu werden? Gibt es festgelegte Kriterien?
Das “Olta”-Projekt wird fortgesetzt werden. Wir planen sogar eine Art “Olta”-Fest, wenn die Pandemie vorbei ist, um weiterhin mit den Einnahmen einkommensschwache Musiker zu unterstützen. Alle, die ein Lied einreichen wollen, können diesen mit dem “44 khz 16 bit wave”-Format zusammen mit ihren Kontaktdaten sowie der Erklärung, dass sie dieses Lied spenden wollen an oltadayanisma@gmail.com senden.
Wie können Zuhörer*innen die Alben hören, euch auf Social Media erreichen und unterstützen?
Ihr findet uns als “Olta Dayanışma” auf Social Media und als “Olta” auf Spotify, iTunes oder ähnlichen Streaming-Plattformen.
Welche Schlussworte willst du an unsere Leser*innen richten?
Ich hoffe, dass wir auch bald in Deutschland ein Konzert oder ein Solidaritätsprojekt für Musiker organisieren können. Hört euch “Olta” an und teilt unser Projekt auf Social Media – das ist für uns die größte Unterstützung.
Schaut und hört doch mal rein bei Olta – auf Twitter, Youtube, Facebook und Instagram.
Text: Metin Yerkan
Übersetzung: Sevda Arican
Fotos: Olta