Bei 17 Millionen Menschen, schwankenden Temperaturen und einer Vorliebe für aufgedrehte Heizungen oder Klimaanlagen kann einen in İstanbul schon mal eine Erkältung erwischen. Doch wie wird man sie los? Unsere Autorin Seren schwört auf ihren Kräuterladen, besser gesagt Aktar, um die Ecke:
36 Grad im Schatten, aber die Klimaanlagen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufsläden und Büchereien – also an den drei Orten, wo ich die meines Zeit meines Forschungsaufenthaltes zu „Tiki-Türkçe“ („Tussi-Türkisch“) in İstanbul verbrachte – kühlen die Temperatur auf Minusgrade ab. Eine Erkältung ist vorprogrammiert. Doch was tun bei einer Erkältung in der Millionenmetropole? Soll ich auf den Apotheker hören, der mir direkt ein Antibiotikum verkaufen will, mehrere Tage durchschlafen oder zum Aktar, dem türkischen „Kräuterladen“?
Die türkischen Kräuterläden sind in fast jeder Straße anzutreffen. Von „natürlichem Viagra – wir garantieren Ihnen 4 Mal Sex am Tag“ bis „Schlangenöl für schönere Haut und dickere Haare“: Es gibt nichts, was es im Aktar nicht gibt. Auch für meine Erkältung hatte der Aktar in Kadıköy, ein natürliches Heilmittel, nämlich einen gemischten Erkältungstee aus Melissentee, Lindenblütentee, Thymian und Bergtee.
Entgegen des Vorschlags meiner Mitbewohnerin, die mir ein Antibiotikum aus der Apotheke empfahl, setzte ich auf diesen Kräutermix aus der Apotheke und siehe da: Nach einem Liter Superheiltee und mehreren Stunden Schlaf konnte ich mich am Abend an den Bosporus setzen und Çay trinken!
Diese wunderbar nach einer Vielfalt von Kräutern und Gewürzen duftenden Läden sind in jeder türkischen Stadt vorhanden und verkaufen exotische Heilmittel wie „Das Kraut der Unsterblichkeit“, „Kräuterpaste gegen Menstruationsbeschwerden“ oder einfach nur Nüsse. Ihre Entstehungsgeschichte wird gerne auf den ursprünglichen Glauben der in Anatolien einwandernden Turkvölker – Tengrismus beziehungsweise Schamanismus – zurückgeführt, bei dem das Wissen um Naturelemente und deren Auswirkung auf die menschliche Psyche und den Körper eine große Rolle spielte.
Ein weiterer Bestandteil des Aktar-Sortiments sind bekannte türkische Hausmittel, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und regional unterschiedlich sind. Und die letzte wichtige Zutat der Aktar-Ware ist natürlich das Verkaufstalent des Besitzers und auch die wunderbaren Verkaufsgespräche über Gesundheit und Schönheit, die die Kunden im Aktar erwarten.
Text: Ilgın Seren Evișen
Bilder: Navid Linnemann
Es gibt viele weitere Institutionen in Istanbul – unter anderem die vielen Märkte in einzelnen Stadtteilen. Navid hat sich dort erklären lassen, inwiefern sich deutsche und türkische Märkte unterscheiden.