Wie hört es sich an, wenn waschechte Bayern türkische Volkslieder singen? Gut! Solange sie keine Angst vor der falschen Aussprache haben!
Spaß beiseite: Wie gut bayerische Blasmusik und orientalische Klänge zusammenpassen, hört man bei der Unterbiberger Hofmusik. Die Band aus dem Münchner Umland beweist seit drei Jahren, dass Dirndl, Lederhosen, Akkordeon und Klassiker der türkischen Musikgeschichte einen musikalischen Grenzübertritt wert sind.
Doch wie kommt eine Band, deren Fokus auf bayerischer Blasmusik liegt, darauf, eben diese Blasmusik mit türkischen Volksliedern zu kombinieren? Beeinflusst haben die Unterbiberger Hofmusik, die aus der Familie Himpsl (genauer gesagt aus Mutter Irene, Papa Franz und den drei Söhnen Xaver, Ludwig und Franz) besteht, Besuche in Izmir und Istanbul auf Einladung des Goethe-Instituts. Hier erhielt die Familie einen ersten Einblick in die türkische Musik. Ein physikalischer Grenzübertritt, der die Familie so schnell nicht mehr losließ.
Und so wagt sich die Unterbiberger Hofmusik in ihren zwei bisher veröffentlichten Alben an echte türkische Klassiker und arrangiert in Kooperation mit verschiedenen Gastmusikern Stücke neu, die die meisten Türken im Schlaf mitsingen können wie „Uzun Ince Bir Yoldayım“ von Aşık Veysel oder „Dere Geliyor Dere“. Doch wie kommt man darauf eigentlich auf die verrückte Idee, traditionelle bayerische Blasmusik mit türkischen, armenischen und kurdischen Volksliedern zu verknüpfen? Wir haben Franz Himpsl gefragt.
Wieso passen eurer Meinung nach bayerische Blasmusik und türkische/armenische/kurdische Volkslieder einfach zusammen?
Franz Himpsl: Weil es zusammenpassen muss. Genau, wie die Menschen aus den verschiedenen Ländern sich natürlich am Anfang fremd sind, wird man sich annähern und verstehen müssen. Aber niemand kann wissen, was und wie das genau geschehen wird! Die Musikgeschichte wird irgendwann registrieren, wie sich das vermischt oder eben nicht vermischt hat. Für mich passt es zusammen!
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den türkischen Musikern ab? Erfahrt Ihr kulturelle Unterschiede in der Arbeitsweise?
Franz Himpsl: Ich würde sagen, dass der westliche Mensch mehr vertikal hört, d. h. die Harmonien ganz wichtig sind. Da in der ursprünglichen türkischen Volksmusik keine Harmonien vorhanden sind, hören unsere Kollegen mehr horizontal: viele Verzierungen der Melodie, viele rhythmische Veränderungen, meist ungerade Takte und vor allem viele Makamlar – also Tonleitern mit Tönen, die es bei uns gar nicht gibt, die alle unterschiedlich klingen und Zeit zum Entwickeln brauchen. Darum sind die Stücke meistens wesentlich länger. Das ist wie mit Kirchen und Moscheen: Da in der Moschee keine Figuren und Bilder vorhanden sind, hat man mehr Energie in die Verzierungen z. B. mit Fliesen investiert. In der jeweiligen Sichtweise ist es so vollkommen.
Und wie ist es andersherum, was nehmt Ihr von eueren türkischen Kollegen mit? Inwieweit hat die Zusammenarbeit eure Arbeitsweise/Sichtweise verändert?
Franz Himpsl: Manchmal ist es so, dass musikalische Selbstverständlichkeiten dem jeweils anderen richtig schwerfallen. Damit muss man einfach sehr sensibel umgehen. Wir haben einen riesigen Spaß miteinander. Beispielsweise waren wir vor drei Wochen zusammen mit dem Bus in Berlin beim Bürgerfest des Bundespräsidenten. Das war natürlich auch eine schöne Gelegenheit sich näher kennenzulernen. Wir haben übrigens den Leiter der Türkisch-Deutschen Musikakademie getroffen: ein Großmeister an der Bağlama. In Berlin und in Baden-Württemberg ist die Saz/Bağlama im Wettbewerb „Jugend musiziert“ interessanterweise zudem im Instrumentenkanon!
Wenn ich es richtig verstanden habe, sprecht Ihr kein Türkisch, Kurdisch, Armenisch, singt aber Volkslieder in diesen Sprachen. Wie funktioniert das? Habt ihr eine spezielle Technik, um die Texte auswendig zu lernen?
Franz Himpsl: Ein Musiker lernt über die Melodie den Text immer schneller, als ohne Melodie. Oder so ausgedrückt: Ben şahsen beş yıldan beri Türkçe öğreniyorum. Almança Türkçe ile karşılaştırıldığında daha zormuş ama beni teselli etmiyor. Türkçe öğrendiğimden beri daha mutlu bir insanım. Günden günü gülen yüzlar görebiliyorum! Und langsam verstehe ich auch, was ich da alles auswendig gelernt habe.
Wie reagieren eure deutschen Fans auf die orientalischen Klänge? Gab es auch Kritik?
Franz Himpsl: Ja, wir werden zwischendurch auch angefeindet, aber normalerweise gehen uns diese Leute aus dem Weg. Meist trauen Kritiker sich nicht, offen zu sagen, was sie davon halten. Geistig offene Menschen erkennen jedoch sofort den positiven Ansatz und lassen sich drauf ein. Eine dumme Grundeinstellung ist: „Da geht unsere Volksmusik kaputt“ Meine Antwort: Ich habe ein paar Sätze Türkisch gelernt und kann trotzdem noch Bayerisch!
Momentan ist ja euer zweites Album (BAVATURKA * Vol.2) auf dem Markt. Wie wird es musikalisch in Zukunft bei euch weitergehen?
Franz Himpsl: Wie das Meiste in unserem musikalischen Werdegang wird die Zukunft maßgeblich davon geprägt, wen wir treffen, wo wir spielen und wer mit uns mitspielt. Es ist wichtig, dass die ursprünglichen Wurzeln noch zu hören sind. Wenn man etwas sinnvoll mischen möchte, muss man die verschiedenen Punkte/Farben kennen. Mischt man (z. B. bei Farben) einfach alles unkontrolliert zusammen, erhält man einen unappetitlichen braunen Brei!
Schließlich geht es nicht nur um das Überschreiten von Grenzen, sondern auch darum, die eigene Identität und Kultur kennenzulernen und zu wahren: egal ob es sich um eine deutsche, türkische, armenische oder kurdische handelt. Ein guter Anfang hierfür ist der türkische Klassiker „Happy Bayram“ (Bugün Bayram)
Viel Spaß beim Reinhören!
Text: Carolin Winterholler